Im Rahmen der Vorlage für die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanes HO 104 „Senator-Braun-Allee Ost II“ (19 / 204) ist ein Prüfauftrag an die Verwaltung ergangen (19 / 227). Mit diesem ist die Verwaltung gebeten worden, in den textlichen Festsetzungen einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zu legen. Als Ergebnis der weitergeführten Diskussion wurde vereinbart, dass die Verwaltung für zukünftige neue Baugebiete ein Grobkonzept für „ökologische“ Bebauungsplanfestsetzungen erarbeitet und im Stadtentwicklungsausschuss vorstellt. Mit der Vorlage 19 / 260 wurde ein Zwischenergebnis präsentiert. Nunmehr legt die Verwaltung eine entsprechende Leitlinie für die zukünftige Bearbeitung vor.
Die folgende Leitlinie der Verwaltung für zukünftige „ökologische“ Bebauungsplan-festsetzungen ist nach Themen untergliedert. Sie soll für bestimmte Themenbereiche einen Rahmen stecken und die Zielrichtung der Verwaltung verdeutlichen. Dabei steht die Schaffung von ökologischem Bauland bzw. ökologischen Baugebieten im Fokus, wobei die einzelnen Festsetzungen natürlich zusätzliche Kosten verursachen werden. Die Auflistung der Themenbereiche aus dem Gesamtspektrum möglicher Festsetzungen mit „positiven ökologischen Auswirkungen“ ist nicht als abschließend zu verstehen, d. h. im Einzelfall können in einem Bebauungsplan auch andere bzw. über die in dieser Auflistung genannten Themenbereiche hinausgehende „ökologische“ Bebauungsplanfestsetzungen getroffen werden. Dies ist in der Systematik der Bebauungsplanaufstellung begründet. Demnach muss im konkreten Einzelfall individuell eine Lösung für den jeweiligen Geltungsbereich erarbeitet werden. Die Festsetzungsmöglichkeiten sind nicht abschließend. Insbesondere die Belange des Umweltschutzes gemäß § 1 BauGB (beispielsweise Schall-, oder Bodenschutz) müssen im Rahmen des jeweiligen Bebauungsplanaufstellungsverfahrens bearbeitet werden. Sie sind daher hier nicht enthalten.
Wie alle Festsetzungen in Bebauungsplänen können auch die „ökologischen“ Festsetzungen ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen werden. Sie obliegen zudem der Abwägung, so dass Abweichungen von diesem Grobkonzept möglich bleiben müssen. Denn trotz der Zielsetzung zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, muss und soll weiterhin gewährleistet werden, dass sich breite Bevölkerungsschichten die Schaffung von Eigentum, sei es durch Haus oder Wohnung, auch finanziell leisten können und nicht aufgrund der durch die Festsetzungen ausgelösten Kosten davon ausgeschlossen werden. Gleiches gilt bezüglich der Schaffung von Wohnraum, der zu einem erschwinglichen Mietzins auf dem Wohnungs-markt angeboten werden kann.
Alle Abweichungen von den hier festgelegten Leitlinien und Zielausrichtungen sind in der Be-gründung zum Bebauungsplan nach Beschluss der Leitlinie in einem eigenen Kapitel zu erläutern.
Bei neuen Baugebieten wird, über die Leitlinie hinaus, eine Beratung der Bürger*innen mit Hilfe einer Broschüre angestrebt.
Dachbegrünungsfestsetzungen für Flachdächer oder flachgeneigte Dächer mit einer Dachneigung von weniger als 15 °
Dachbegrünung soll festgesetzt werden bei:
Die Möglichkeit einer Festsetzung von Dachbegrünung ist in Kerngebieten (MK), Gewerbegebieten (GE), Industriegebieten (GI) und Sondergebieten (SO) im Einzelfall zu entscheiden. Hierbei sind insbesondere der Nutzungszweck und der Aufwand dem klimatischen und ökologischen Nutzen einer Dachbegrünung gegenüber abzuwägen.
Von der Dachbegrünungspflicht in der Regel ausgenommen werden sollen bei flachen bzw. flachgeneigten Dächern die Teile der Dachabdeckung, die der Energiegewinnung dienen. Der Anteil (zum Beispiel ein Mindestprozentanteil der Dachflächen) und die Qualität der jeweiligen Dachbegrünung (intensiv oder extensiv usw.) wird, nach Abwägung für das jeweilige Gebiet, konkret definiert. Ebenso wie beispielsweise eine Vorgabe zur Verwendung vorkultivierter Moosmatten bei aufgeständerten PV- oder Solarthermieanlagen.
Festsetzungen zur Begrenzung der Versiegelung von nicht überbaubaubaren Grundstücksflächen durch Wege, Stellplätze, Nebenanlagen etc.:
Die Intention der Grundflächenzahl in Bebauungsplänen, die maximale Versiegelung eines Baugrundstücks festzulegen, soll zukünftig umgekehrt werden. Bezogen auf die jeweilige Grundstücksfläche soll der jeweils größtmögliche Anteil des natürlich gewachsenen Bodens unbelassen bleiben und durch Begrünung und Bepflanzung gärtnerisch gestaltet werden. Für die verschiedenen Baugebietstypen werden angelehnt an die Vorgaben der Baunutzungs-verordnungen für neue Baugebiete folgende Standards angenommen.
Der Anteil von unversiegelten Flächen soll mindestens 20 % der Grundstücksfläche betragen in:
Der Anteil von unversiegelten Flächen soll mindestens 40 % der Grundstücksfläche betragen in:
Bei mehrgeschossigen, besonders urbanen Wohngebieten soll geprüft werden, ob der Anteil im Einzelfall geringer ausfallen kann.
Der Anteil von unversiegelten Flächen soll mindestens 60 % der Grundstücksfläche betragen in:
Ob ein Anteil und welcher Anteil von unversiegelten Flächen festgesetzt werden kann ist im Einzelfall zu beurteilen bei:
Wenn im Einzelfall aus städtebaulichen Gründen geringere, als die oben aufgeführten Mindestanteile unversiegelter Grundstücksflächen festgesetzt werden sollen, so ist dies gesondert im Bebauungsplan zu begründen und ggf. durch Maßnahmen auszugleichen, durch die nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden.
Klimagerechte Vorgaben für befestigte Flächen:
Bei neuen Baugebieten sollen möglichst viele Teilflächen eines Grundstückes wasser-durchlässig belassen oder hergestellt sowie begrünt und bepflanzt werden, um dem Wasserhaushalt gerecht zu werden und das städtische Kleinklima zu verbessern. Baurechtlich gilt jedoch, dass die zulässigerweise bebauten oder genutzten Grundstücksteile auch versiegelt werden dürfen, wie z. B. Stellplätze, Zufahrten, Terrassen, Standplätze für Abfall-behälter etc. Daher soll für notwendige befestigte Flächen eine möglichst hohe Wasser-durchlässigkeit erreicht werden. Hierzu wird als Standardfestsetzung in Wohn- und Misch-gebieten die Vorgabe für eine wasserdurchlässige Ausführung befestigter Grundstücks-freiflächen und ebenerdiger Stellplätze (offenfugiges Pflaster, Rasengittersteine, Schotter-rasen, wassergebundene Decken o.ä.) aufgenommen.
Klimagerechte Vorgaben für Gärten und Vorgärten:
Die Gestaltung von privaten Gärten und Vorgärten kann ebenfalls durch entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen beeinflusst werden. Durch entsprechende Festsetzungen soll eine Durchgrünung mit klimaangepassten, heimischen Gehölzen gewährleistet werden. Für Vorgärten sollen Vorschriften für einen Mindestanteil an Vegetationsfläche vorgeschrieben werden. Dieser ist abhängig vom Gebietstyp und Gebäudetyp (z. B. Reihenendhäuser 50 %, Reihenmittelhäuser 40 %). Die Gestaltung von Vorgärten in Form von Steingärten soll vermieden werden. Hierzu werden Stein-, Kiesel- und sonstigen Materialschüttungen sowie die Verwendung von Geotextil oder Vegetationsblockern zur Gestaltung der Vegetations-flächen ausgeschlossen. Die Vorgabe für eine insektenfreundliche Bepflanzung soll mit regionalen, heimischen Pflanzen festgesetzt werden.
Einfriedungen:
Grundstückseinfriedungen können Potenziale für einen größeren ökologischen Beitrag bieten. So werden in die Festsetzungen für neue Baugebiete Vorgaben für die Materialwahl und Ausgestaltung standardmäßig aufgenommen. In Wohn- und Mischgebieten sollen Einfriedungen nur in offener Form als Gehölzhecke aus einheimischen, standortgerechten Laubgehölzen, als transparente Holzzäune, Stahlrankzäune mit senkrechter Stäbung oder Drahtgeflechtzäune mit Hinterpflanzung durch Hecken / Sträucher ausgebildet werden. Die Einfriedungen sollen als Durchlass für Tiere einen Bodenabstand von 0,1 m einhalten. Massive Einfriedungen wie Mauern (Mauerwerk, Betonzaun, Gabionen) sollen in Wohn- und Mischgebieten ausgeschlossen bzw. mindestens begrenzt werden. Bei abschüssigem Gelände notwendige Abfangvorrichtungen wie Winkelstützen sollen begrünt werden.
Fassadenbegrünung:
Eine Begrünungspflicht für Fassaden soll in Betracht kommen, wenn die Verhältnismäßigkeit sowie Angemessenheit gegeben ist. Vertikale Begrünungen bedürfen in der Regel eines eigenen Bewässerungs- und Düngesystems, um tatsächlich funktionieren zu können. Ein Monitoring inklusive regelmäßiger Pflege und Kontrolle ist notwendig, da sonst eine leichte Anfälligkeit für eine schnelle dramatische Reaktion auf Störungen (zu geringe Wasserversorgung oder Krankheiten bzw. Befall) besteht. Daher sind Fassadenbegrünungen relativ kostspielig, auch in der Unterhaltung.
Vorgabe für Stellplatzanlagen:
In allen neuen Baugebieten werden unter anderem aus kleinklimatischen Gründen Vorgaben zur Durchgrünung und Gliederung von privaten Stellplatzanlagen durch Pflanzgebote vor-gesehen. Bei Stellplatzanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten soll als Standard alle 5 Stellplätze die Pflanzung eines Baumes festgesetzt werden. Für die Baumscheiben sollen unversiegelte Flächen von mindestens 9 m ² im Stammbereich der Bäume festgesetzt werden. Bei größeren Stellplatzanlagen (ab ca. 10 Stellplätze) sollen Mindestabstände zu öffentlichen Verkehrsflächen verbunden mit Pflanzgeboten beispielsweise von Hecken festgesetzt werden (1 - 5 m je nach Größe der Anlage und räumlicher Gegebenheit). Dies ist nicht nur aus stadtgestalterischen, ortsbild- und kleinklimatischen Aspekten, sondern auch im Hinblick auf den Biotopverbund als Trittsteinbiotope bzw. „Kleinst“-Grünkorridore positiv zu werten.
Bei der Aufstellung von Bauleitplänen für den Wohnungsbau und der Einholung eines für das Projektgebiet notwendigen Verkehrs- und Mobilitätsgutachtens werden die Möglichkeiten für eine innovative Parkraumbewirtschaftung geprüft.
Versickerung von Niederschlagswasser:
In allen neuen Plangebieten erfolgt eine gutachterliche Ermittlung der Versickerungsfähigkeit des Bodens. Das Ergebnis ist Grundlage für das entsprechende Entwässerungskonzept, welches in den städtebaulichen Entwurf des Gebietes einfließt. Soweit die Bodenverhältnisse es ermöglichen und keine Verunreinigung des Niederschlagswassers zu vermuten ist, soll das auf Dachflächen und allen sonstigen befestigten Grundstücksflächen anfallende Nieder-schlagswasser in allen Baugebieten vorzugsweise auf dem jeweiligen Grundstück über die belebte Oberbodenzone versickert werden (Muldenversickerung bzw. Mulden-Rigolen-versickerung) oder der Brauchwassernutzung zugeführt werden. Die Errichtung von Zisternen z. B. für die Brauchwassernutzung soll möglich sein.
Die Straßenentwässerung erfolgt, soweit es räumlich sowie aufgrund der Bodenverhältnisse im jeweiligen Gebiet möglich ist, ebenfalls vorzugsweise in Mulden bzw. Mulden-Rigolensysteme, die, beispielsweise in straßenbegleitenden Pflanzstreifen angelegt werden können.
Flächen zur Rückhaltung des Niederschlagswassers sind naturnah zu gestalten.
Durchgrünung der Gebiete mit öffentlichem Grün:
Eine ausreichende Versorgung neuer Baugebiete mit öffentlichen Grünflächen ist zu gewährleisten. Dabei sollen vorrangig klimaangepasste, heimische Gehölze verwendet und auf eine heimische insektenfreundliche Bepflanzung besonderen Wert gelegt werden. Dies wird besonders durch Blühflächen mit Regiosaatgut gewährleistet.
Eine Durchgrünung neuer öffentlicher Erschließungsstraßen durch entsprechende Baumpflanzungen ist ebenfalls zu gewährleisten. Hierbei sind ausreichende Baumquartiere festzusetzen. Als Standard sollen im Stammbereich der Bäume jeweils mindestens 9 m ² unversiegelt sein und vor Bodenverdichtung geschützt werden.
Zur freien Landschaft sind neue Baugebiete durch eine Eingrünung auf öffentlichen Flächen abzugrenzen. Hierbei sind neben Orts- und Landschaftsbild auch artenerhaltende Aspekte zu berücksichtigen.
Reduzierung Energieverbrauch und Einsatz erneuerbarer Energien:
Bei allen neuen Baugebieten ist der Energieverbrauch zu reduzieren. Durch Bebauungsplan-festsetzungen bzw. örtliche Bauvorschriften sollen die Punkte Gebäudeausrichtung, Dachform und -neigung, Kubatur und Kompaktheit (möglichst keine Erker, Gauben, Wintergärten etc.) sowie Verschattungsfreiheit geregelt werden. Allgemein gilt, dass Neubaugebiete in puncto Energieverbrauch besser abschneiden je kompakter bzw. dichter die Siedlungsstrukturen sind (Kompaktheit durch Reihen- und Geschossbauweise). Es sollen bei Neubaugebieten drei wesentliche Ziele verfolgt werden:
Bei allen neuen Baugebieten soll die Möglichkeiten des Einsatzes erneuerbarer Energien geprüft werden. Ab einer entsprechenden Größe des Baugebietes (z. B. 20 Wohneinheiten) ist daher regelmäßig ein Energiekonzept von einem Dienstleister zu erstellen. Für ein Energiekonzept ist in der Regel mit Kosten im vierstelligen Bereich zu rechnen. Der genaue Preis hängt jedoch von der Größe des Gebiets und den zu untersuchenden Varianten ab. Energiekonzepte beinhalten:
Bei der Ausweisung größerer Baugebiete ist die zukünftige Luftzirkulation zu berücksichtigen und in den Unterlagen zum Bebauungsplan darzustellen.
Dem Energiekonzept entsprechend wird die Nutzung erneuerbarer Energien bzw. der Anschluss an ein Fern- bzw. Nahwärmenetz, der Einsatz von stationären Stromspeichern (Photovoltaik), der Einsatz von zentralen oder dezentralen Warmwasserspeichern und die Betreibung von Wärmenetzen als Hochtemperatur-, Niedertemperatur-, oder Kaltwassernetz und Geothermie geprüft und ggf. mit separater Satzung vorgegeben werden.
Das im Rahmen der Bauleitplanung zu erstellende Energiekonzept wird regelmäßig dazu herangezogen um im Rahmen von Beratungsgesprächen mit potentiellen Eigentümern und Investoren frühzeitig über die Optionen der Energieversorgung zu informieren.
Im Zusammenhang mit dem Mobilitätskonzept für ein neues Baugebiet ist aufgrund der Anforderungen an den Stromverbrauch die Frage nach der Versorgung mit E-Ladestationen für Fahrzeuge und Fahrräder konzeptionell zu beantworten.
Möglichkeit zur privaten Nutzung von thermischer und photovoltaischer Sonnenenergie:
Unabhängig vom Vorhandensein von Energiekonzepten soll für neue Baugebiete die Möglichkeit zur privaten Nutzung von Sonnenenergie auch in kleineren Gebieten / Gebietsabschnitten bzw. bei der Erweiterung bestehender Baugebiete per Festsetzung eröffnet werden. Die Formulierungen in örtlichen Bauvorschriften sind entsprechend zu fassen (Dacheindeckung etc.). Bei der Konzeption neuer Wohngebiete soll darauf geachtet werden, dass es Bereiche gibt, in denen beispielsweise die Lage der Baufelder, eine Festsetzung der Firstrichtung etc. eine Nutzung der Sonnenenergie vorzugsweise optimal und bedarfsgerecht ermöglichen. Eine Umsetzungspflicht und verbindliche Nutzung kann baurechtlich nicht festgesetzt werden.
Anforderungen an Außenbeleuchtung:
Als Folge von Bebauung erhöht sich die nächtliche Ausleuchtung in neuen Baugebieten. Um einer Lichtverschmutzung vorzubeugen und zur Minderung von Insektenverlusten (und damit beispielsweise auch Nahrungsverlusten in den Jagdbiotopen von Fledermausarten), wird eine insektenfreundliche, d. h. UV-arme Außenbeleuchtung (Natriumdampflampen oder Lampen mit warmweißen LED-Leuchten) in allen Baugebieten festgesetzt. Um unnötige Lichtverschmutzung zu vermeiden, wird zudem standardmäßig eine Einflussnahme auf die Stärke der Lichtimmissionen erwägt, wie beispielsweise eine nächtliche Reduzierung der Beleuchtung, oder das Anbringen von Abblendeinrichtungen.
Artenschutz:
An alten Gebäuden leben Vögel und Fledermäuse, meistens in Spalten und Öffnungen. Diese finden sich an energetisch optimierten Gebäuden nicht. Deshalb ist die Anbringung oder Integration mindestens einer Nisthilfe je Gebäude vorzusehen. Für die Auswahl der geeigneten Form stellt die Stadt Informationen zur Verfügung.