Mein Name ist Franka Schumacher, ich bin 23 Jahre alt und starte in den nächsten Wochen ins dritte Ausbildungsjahr der Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, die ich in der Stadtbibliothek Hildesheim absolviere.
Mein Frankreichaufenthalt begann damit, dass ich meinen sehr schweren Koffer am 6. Mai in den Zug hievte und gemeinsam mit Frau Steinmüller, die ebenfalls eine Woche in Angoulême verbrachte, Hildesheim für vier Wochen auf Wiedersehen sagte. Nach einem schönen zweitägigen Aufenthalt in Paris konnte dann das Abenteuer „Partnerstadt Angoulême“ beginnen. Am 8. Mai wurden Frau Steinmüller und ich am Bahnhof in Angoulême von Lina Dupuis, der Vorsitzenden der Hildesheim-Gruppe des Partnerschaftskomitees, und meinen Gasteltern willkommen geheißen. Dann ging es für mich auch schon ab zu meiner ersten Gastfamilie:
Meine Praktikumszeit konnte starten!
In dieser Zeit konnte ich zahlreiche Dinge erkunden und habe sehr viele neue Eindrücke gesammelt. Ich möchte Ihnen nachfolgend berichten, was mir von meinem Praktikumsaufenthalt in Angoulême besonders in Erinnerung bleiben wird:
- Die Gastfreundschaft
In meinem Praktikumsaufenthalt wechselte ich jede Woche meine Unterkunft. Ich war also insgesamt bei drei Gastfamilien und eine Woche in einem Airbnb in der Innenstadt Angoulêmes. Die Gastfreundschaft, mit der ich bei den jeweiligen Gastfamilien begrüßt wurde, hat mich immer wieder überwältigt. Sie haben alles getan, damit ich mich wohlfühlte und eine schöne Zeit verbringen konnte, und sei es nur, dass ich lieber mit einem Teller frühstückte, anstatt die französische Frühstücksschale zu haben. Alle diese Personen sind auch im Komitee der Partnerschaft Hildesheim / Angoulême. Auch das Komitee hat mich so herzlich begrüßt und war stets bereit, mir zu helfen, wenn ich Hilfe benötigte. Besonders in Erinnerung bleibt mir der gemeinschaftliche Abend, den sie für Frau Steinmüller und mich organisierten. Jedes Mitglied des Komitees brachte eine Speise mit, alle Köstlichkeiten von Quiche bis hin zu deutschem Käsekuchen waren dabei, und wir verbrachten einen netten Abend voll mit interessanten Gesprächen auf Französisch und auf Deutsch.
Die Gastfreundschaft lässt sich auch auf alle meine Praktikumsstellen ausweiten: In den 4 Bibliotheken Angoulêmes: Alpha, L’Escale, Mosaique und Ma Campagne wurde ich herzlich empfangen und in alle Aktivitäten eingebunden. In der Médiathèque Ma Campagne durfte ich beispielsweise an einem sogenannten Atelier Fanzine teilnehmen, wo eine Künstlerin Kindern Collagen und andere künstlerische Tools beibrachte. Auch im Archiv von Angoulême, dem Archives municipales, wurde ich sehr herzlich empfangen und durfte sehr viel erleben.
- Die Offenheit
In den Bibliotheken durfte ich an vielen Animationen für Kinder, für Kindergärten oder Schulklassen teilnehmen. Die Kinder waren stets sehr interessiert daran, deutsche Wörter zu lernen und halfen mir auch viel mit meinem Französisch. So durfte ich in der Bibliothek L’Escale den Kindern auf deren Wunsch aus einem Buch vorlesen und sie lauschten geduldig. Danach sang diese Schulklasse sogar ein großartiges Lied für die Mitarbeitenden der Bibliothek und für mich. Die Kinder verstanden, dass mein Französisch nicht perfekt war und wiederholten Sätze für mich, erklärten mir einzelne Wörter oder sprachen mit Händen und Füßen mit mir, wie beispielsweise die Kindergartenkinder.
- Das historische Erleben der Stadt Angoulême
Während meines Aufenthalts konnte ich die Stadt Angoulême auf verschiedene Weisen entdecken. Besonders die historische Komponente war bemerkenswert und interessant.
Gemeinsam mit Frau Steinmüller erhielt ich eine Führung vom Partnerschaftskomitee durch die Innenstadt von Angoulême.
Im Archiv bekam ich die Möglichkeit eine alte Papiermühle, die Moulin de la Courade, anzuschauen: Ein beeindruckendes Anwesen, bestehend aus der alten Papiermühle, einem riesigen Wohnhaus oder fast schon Schloss, und einem sehr großen Park. Der Besitzer, dem das Haus - was schon lange Zeit in Besitz seiner Familie ist - vererbt wurde, gab uns, den Archivnutzerinnen und -nutzern, dem Leiter des Archivs und mir eine Rundführung.
Eine weitere Papiermühle, die ich besichtigen durfte, ist die Papiermühle in Puymoyen. Diese ist auch heute noch in Betrieb. Der Besitzer Jacques Brejoux führte uns durch die Räumlichkeiten und erklärte die Geschichte des Papiers, dessen Herstellungsprozesse und die Geschichte der Papiermühle in Puymoyen.
In der letzten Woche meines Aufenthalts fuhr ich mit meiner Gastmutter und einer weiteren Dame des Komitees zur Charente maritime und konnte kurz im Atlantik baden. In Talmont-sur-Gironde besichtigte ich die Kirche Ste-Radegonde. Diese Kirche gibt es bereits seit dem 12. Jahrhundert, dabei steht sie so nah am Meer! Aber auch die Kirchen in Angoulême waren sehr interessant zu besichtigen so wie auch der Tresor der Kathedrale.
- Die Kultur
Die Kultur Frankreichs und besonders die der Stadt Angoulême lernte ich in meiner Praktikumszeit auf verschiedenste Weisen kennen. Angoulême ist die Comic-Hauptstadt Frankreichs. Die ganze Stadt wird von eindrucksvoller Streetart im Comic-Stil geschmückt und sogar die Straßenschilder sind in Sprechblasenform. Im Zuge meines Praktikums besuchte ich auch das Comicmuseum und bekam sogar eine eigene Führung durch die Ausstellung, sowie durch das Archiv und die angeschlossene Comicbibliothek. Im Archiv werden wertvolle Zeichnungen bekannter Comic-Künstler, beispielsweise Hergé (bekannt durch die Comicreihe „Tim und Struppi“) aufbewahrt, ebenso weitere Kostbarkeiten der Comicwelt. Die Comic-Bibliothek, auf Französisch: „Bibliothèque patrimoniale“, sammelt Comics, Mangas und Graphic Novels und auch Zeitschriften, wie beispielsweise das „Journal de Mickey“. So lernte ich auch diese besondere Bibliothek kennen.
Aber auch in den anderen Bibliotheken oder auch Médiathèques genannt gab es für mich Neues zu entdecken.
In der Médiathèque Alpha, der größten Bibliothek Angoulêmes, war ich leider nur einen Nachmittag. Dennoch bemühten sich die Mitarbeitenden dort, in der kurzen Zeit mir alle Bereiche zu zeigen: Die Médiathèque wird in die drei Bereiche créer (kreieren), imaginer (sich etwas ausdenken) und comprendre (verstehen) aufgeteilt. Im Bereich créer befinden sich Comics, Kunst- und Sport-Sachbücher und zahlreiche Spielkonsolen, die hauptsächlich von Jugendlichen genutzt werden.
Im Bereich imaginer findet man Literatur für Kinder, eine Kinderbetreuungsstelle und auch Romane.
Im Bereich comprendre sind weitere Sach- und Fachbücher unter anderem zur Geschichte Angoulêmes und der Charente zu finden.
Die drei anderen Médiathèquen Angoulêmes, L’Escale, Mosaique und Ma Campagne sind sehr viel kleiner:
Die Médiathèque Ma Campagne ist zwischen einer Krippe und einer Schule gelegen und hat somit viele Angebote für Kinder. Viele der Kinder und Jugendlichen kommen auch nach der Schule vorbei, um sich in der Bibliothek aufzuhalten. Die Bibliotheken L’Escale und Mosaique liegen sehr nah beieinander und die Mitarbeitenden wechseln zwischen den beiden Bibliotheken. Auch dort durfte ich verschiedenste Animationen für Kinder anschauen, wie beispielsweise das Spectacle „Tour de jardin“ mit der Künstlerin Nadège Rigalleau, die schon den Kleinsten den Garten mit den Gemüsesorten und Tieren mit musikalischer Untermalung näherbringt.
- Der Ideenreichtum und die Sprachentwicklung
Aus meinem Praktikum in Angoulême komme ich mit vielen Eindrücken im Gepäck wieder nach Hildesheim (und meinem wirklich sehr schweren Koffer!).
Ich habe durch das Praktikum viele neue Ideen und Impulse gesammelt und konnte natürlich auch mein Französisch verbessern. Meine Gasteltern waren sehr geduldig mit mir und haben mir stets bei der komplizierten französischen Grammatik geholfen. In den Bibliotheken wurde auch sehr viel Rücksicht darauf genommen, dass ich die Sprache nicht perfekt beherrsche. Im Archiv gibt es sogar eine deutsche Mitarbeitende Stine Krause, was sehr hilfreich beim archivischen und historischen Fachvokabular war.
Am Anfang war ich noch unsicher und hatte Angst Fehler zu machen, habe aber schnell gemerkt, dass Fehler – die dann verbessert wurden - zu einem besseren Sprachverständnis führen. Wie gesagt: Sogar den Kindern hat es viel Spaß gemacht, mir französische Vokabeln und Aussprache beizubringen!
Abschließend kann ich die Erfahrung des Frankreichs- oder generell Auslandspraktikums nur empfehlen. Durch das Erasmus-Programm und das Angebot der Stadt Hildesheim sowie die Organisation von Herrn Rösner, dem ich an dieser Stelle einen großen Dank aussprechen möchte, ist das Praktikum möglich geworden. Ich habe es als Bereicherung empfunden Strukturen in einem anderen Land kennenzulernen und so meinen Horizont zu erweitern. Sei es in der Bibliothekswelt, im Archiv oder einfach sprachlich. Natürlich ist so ein Aufenthalt auch eine Herausforderung, aber durch die große Hilfsbereitschaft vor Ort, ist diese zu meistern und wird mir immer in schöner Erinnerung bleiben.