Stadt Hildesheim

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Vorlage - 24/330  

Betreff: Ergebnisvorstellung Verkehrsversuch Marienburger Straße - Verkehrskonzept zur 11. Änderung des Bebauungsplans HO 1 "Marienburger Platz"
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Verfasser:Brouër, Sandra
Federführend:61 Fachbereich Stadtplanung und Stadtentwicklung Bearbeiter/-in: Seifert, Johannes
Beratungsfolge:
Ortsrat Marienburger Höhe/Galgenberg Anhörung
05.09.2024 
Sitzung des Ortsrates Marienburger Höhe/Galgenberg zur Kenntnis genommen     
Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität Vorberatung
11.09.2024 
Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität ungeändert beschlossen   
Verwaltungsausschuss Entscheidung
16.09.2024 
Sitzung des Verwaltungsausschusses der Stadt Hildesheim      
Anlagen:
01_Übersichtsplan Rückstau  
02_Belastung Fahrtrichtungen  
03_Leistungsfähigkeitsnachweis Knotenpunkt 122  

Sachverhalt:

 

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zur 11. Änderung des Bebauungsplans HO 1 „Marienburger Platz“ wurde ein Verkehrskonzept zur Erschließung des geplanten Neubaus des Einkaufszentrums erstellt. Dieses wurde mit der Vorlage 23/345 am 27.09.2023 im Ortsrat Marienburger Höhe/Galgenberg sowie im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität am 06.12.2023 vorgestellt. Grundlage des Konzeptes war eine Verkehrsuntersuchung sowie eine digitale Verkehrssimulation, um die Leistungsfähigkeit einer Fahrstreifenreduzierung zu untersuchen. Um die Ergebnisse zu bestätigen, wurde ein Änderungsantrag der Gruppe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE PARTEI zur o.g. Vorlage gestellt (Vorlage 23/516). Auf Grundlage dieses Antrags wurde die Verwaltung beauftragt, einen mehrwöchigen Verkehrsversuch durchzuführen, um die Auswirkungen einer Fahrstreifenreduzierung und Haltestellen am Fahrbahnrand (Buskaphaltestellen) auf die Leistungsfähigkeit der Marienburger Straße im Realbetrieb zu testen bzw. zu überprüfen.

 

Versuchsaufbau:

 

Der Verkehrsversuch wurde vom 16.05.2024 bis zum 21.06.2024 durchgeführt. In diesem Zeitraum wurde zunächst der Ist-Zustand aufgenommen. Ab dem 28.05.2024 wurde dann die Fahrbahn stadteinwärts von der Straße „An den Osterstücken“ bis zur Treuburger Straße auf eine Spur reduziert (Länge 500 m) und an der Bushaltestelle „Universität“ wurde eine provisorische Buskaphaltestelle eingerichtet, an der der Bus auf der Fahrbahn und nicht mehr in einer Busbucht gehalten hat. Stadtauswärts besteht bereits über die gesamte Versuchsstrecke eine Einspurigkeit. Hier wurde ebenfalls eine provisorische Buskaphaltestelle auf der Fahrbahn eingerichtet.

 

Innerhalb des Versuchsbereichs befinden sich vier Knotenpunkte, auf die sich die Fahrspurenreduzierung auswirken könnte. Die Videoaufnahmen und -zählungen wurden an diesen vier Knotenpunkten durchgeführt:

 

Nr. 120 – Marienburger Straße / Schillstraße

Nr. 122 – Marienburger Straße / Treuburger Straße

Nr. 124 – Marienburger Straße / Großer Saatner

Nr. 126 – Marienburger Straße / Allensteiner Straße

 

Der Versuchsaufbau wurde zwischenzeitlich aufgrund zu starker Staubildung verkürzt: Ab dem 11.06.2024 wurde die Reduzierung der Fahrbahnen stadteinwärts auf die Strecke zwischen Großer Saatner und Treuburger Straße beschränkt (Länge 300 m). Zur Ermittlung der Auswirkungen wurden an mehreren Tagen zu unterschiedlichen Zeiten Zählungen durchgeführt. Die Abschnitte der Spurenreduzierung sind der Anlage 1 „Übersichtsplan Rückstau“ zu entnehmen.

 

Für alle Zähltage wurde als Spitzenstunde der Donnerstagsnachmittag ermittelt (Verkehrsbelastung nach Fahrtrichtungen Anlage 2). Auf dieser Spitzenstunde basiert die weitere Betrachtung. Ein klassischer Leistungsfähigkeitsnachweis nach dem „Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS)“ kann aufgrund der Koordinierung und der Dichte der Knotenpunkte mit Lichtsignalanlagen (LSA) nicht geführt werden. Die Zählung bietet jedoch eine solide Datengrundlage, um aus der jeweiligen Rückstaulänge und weiteren Faktoren wie Umlaufszeiten und Verkehrsmengen u.a. auf die Leistungsfähigkeit des betroffenen Streckenabschnitts zu schließen. Ein Nachweis für den Knotenpunkt Nr. 122 (Treuburger Straße) liegt als Anlage 3 bei. Dieser ist bestimmend für den gesamten Streckenabschnitt, da hier die Leistungsfähigkeit einer einspurigen Verkehrsführung, durch die direkt angrenzenden Buskaphaltestellen die schlechtesten Qualitätsstufen des Verkehrsversuchs erreicht hat.

 

Ergebnis:

 

Aus den Ergebnissen der Zählung und den Bedingungen des Versuchs lassen sich sog. Qualitätsstufen für die unterschiedlichen Verkehrsführungen errechnen. Die Qualitätsstufen (QSV) werden von A bis F bewertet, wobei A die beste QSV darstellt (Qualitätsstufen des Verkehrsabflusses: A = ungehinderter Verkehrsfluss; B = kurze Wartezeit; C = Wartezeit länger, gelegentlich Reststau; D = ständig Reststau, Verkehrszustand stabil; E = wachsender Stau mit langer Wartezeit; F = Stau wächst stetig, die Anlage ist überlastet).

 

Die Datenerfassung und Auswertung des Verkehrsversuches am Knotenpunkt Nr. 122 (Marienburger Straße / Treuburger Straße) in der ermittelten Hauptverkehrszeit Donnerstagnachmittag zwischen 15.00 und 17.00 Uhr ergab folgendes Ergebnis:

 

        Do. 16.05. Grundlage für die Auswahl eines leistungsfähigen LSA-Programms war die Aufnahme und Auswertung der Verkehrsmengen im Ist-Zustand. Um noch akzeptable Wartezeiten für die Fußgänger und die Fahrzeuge aus der Nebenrichtung beizubehalten wurde die Umlaufzeit auf max. 80 Sekunden festgelegt.

Ergebnis: QSV des Ist-Zustandes stadtauswärts A stadteinwärts A

        Do. 06.06: Auswertung der Verkehrsmengen und Ermittlung der QSV für die lange einspurige Verkehrsführung

Ergebnis: QSV stadtauswärts D stadteinwärts F

        Do. 13.06: Auswertung der Verkehrsmengen und Ermittlung der QSV für die kurze einspurige Verkehrsführung

Ergebnis: QSV stadtauswärts B stadteinwärts F

        Do. 20.06: Auswertung der Verkehrsmengen und Ermittlung der QSV für die kurze einspurige Verkehrsführung

Ergebnis: QSV stadtauswärts B stadteinwärts E

 

Für andere erfasste Zeiten ergaben sich stadteinwärts und stadtauswärts abweichende QSV. Als Beispiele wurden die Morgenspitze sowie die Mittagszeit am 06.06. sowie am 13.06. ausgewertet. Ein Durchschnittswert für den Tag wurde nicht berechnet, da ein Nachweis der Verkehrsqualität an signalgesteuerten Knotenpunkten nicht über eine mittlere Verkehrsmenge geführt werden kann. Ein solcher Nachweis würde dazu führen, dass zu den unterschiedlichen Tageszeiten keine bedarfsgerecht abgestimmte Programmwahl erfolgen würde. Die hier ausschnittsweise aufgezeigten Berechnungen zeigen je nach Tageszeit und Fahrtrichtung große Schwankungen auf.

 

Do. 06.06. Auswertung der Verkehrsmengen und Ermittlung der QSV für die lange einspurige Verkehrsführung andere Verkehrszeiten

 

Ergebnis: QSV stadtauswärts A-C stadteinwärts C-F

KP 122

Morgens

Mittags

Nachmittag

 

7.15 bis 8.15

13.00 bis 14.00

15.30 bis 16.30

Umlaufzeit Sekunden

80

70

75

80

80

K1 Stadtauswärts Süden

C

B

A

A

D

K2 Stadteinwärts Norden

F

E

D

C

F

Fußgänger

D

C

D

D

D

 

Do. 13.06. Auswertung der Verkehrsmengen und Ermittlung der QSV für die kurze einspurige Verkehrsführung andere Verkehrszeiten

 

Ergebnis: QSV stadtauswärts A-B stadteinwärts C-F

KP 122

Morgens

Mittags

Nachmittag

 

7.15 bis 8.15

13.00 bis 14.00

15.30 bis 16.30

Umlaufzeit Sekunden

80

70

75

80

80

K1 Stadtauswärts Süden

A

B

B

A

B

K2 Stadteinwärts Norden

F

E

D

C

F

Fußgänger

D

C

D

D

D

 

Maßgeblichen Einfluss auf die Bewertung haben, neben Verkehrsmenge und Umlaufzeit, die Anzahl der Busse und deren Fahrgastwechselzeiten. In allen Auswertungen ist am Haltepunkt „Universität“ stadteinwärts der Einfluss der Busse am größten. Durch die ein- und aussteigenden Fahrgäste, blockiert der Bus dort die Fahrspur am längsten. Diese Zeit steht dem Kfz-Verkehr dann nicht mehr zur Verfügung. Stadtauswärts ist der Einfluss nicht so groß, da hier die Aufenthaltszeiten kürzer sind. Darum ergeben sich hier auch bessere QSV.

 

Die Annahme, dass durch Ausweichverkehre die Strecke entlang des Hohnsensees deutlich mehr belastet worden wäre, konnte nach Auswertung der Zählungen nicht bestätigt werden. Dazu wurden zusätzlich die Verkehrsmengen am Knotenpunkt Tappenstraße / Hohnsen betrachtet. Dabei wurde keine nennenswerte Erhöhung festgestellt.

 

Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) empfiehlt im Bereich Verkehr zur Erreichung von Klimaschutzzielen (E Klima 2022), für den Motorisierten Individualverkehr (MIV) bestenfalls die Qualitätsstufe D. Die Qualitätsstufe D wurde vor Einführung der E Klima als ausreichend eingestuft. Eine QSV von E oder F kann im MIV im Rahmen einer Gesamtabwägung vorrübergehend in Kauf genommen werden, wenn mittelfristig ein Rückgang der Kfz-Nachfrage und damit der Bemessungsverkehrsstärken z. B. aufgrund geplanter Verbesserungsmaßnahmen im ÖPNV, Rad- und Fußverkehr erwartet werden kann (Kombination aus Push- und Pull-Maßnahmen). Eine andere Ausnahme sind spezielle Innenstadtsituationen (z.B. Zufahrtsdrosselung zu einem Bereich mit Shared Space), die bei dieser Bewertung nicht in Frage kommen. Für die Gesamteinschätzung kommt es dabei nicht nur auf die Werte der Spitzenstunde an, sondern auf die Entwicklung im Tagesablauf.

 

Die schlechteren Qualitätsstufen sind den Vorteilen, die durch eine einspurige Verkehrsführung mit Buskaphaltestellen entstehen, wie beispielsweise die Verbesserung der Querungssituation für den Fuß- und Radverkehr sowie die Lärmreduzierung durch weniger schnell fahrende Fahrzeuge (insbesondere nachts), gegenüberzustellen. Von dem aktuellen Verkehrslärm sind 1.143 Personen in der ersten Wohnreihe bzw. der angrenzenden Riegelbebauung zwischen der Straße Großer Saatner und Bromberger Straße betroffen, was ca. 1 % der Hildesheimer Bevölkerung ausmacht. Die Einengung des Straßenraums hat eine Geschwindigkeitsreduzierung und damit auch eine Lärmminderung zur Folge. Der Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm hat in der planerischen Abwägung grundsätzlich einen höheren Stellenwert, als der Wunsch nach einer besseren Qualitätsstufe für den MIV. Insofern ist der Verkehrsversuch im Sinne der Lärmaktionsplanung (Maßnahme in der 3. Stufe benannt und Vorlage 4. Stufe demnächst) positiv zu werten. Der Verkehrsversuch hat aber auch gezeigt, dass es zum einen zu leichten Verzögerungen beim Busverkehr (ca. 40 Sekunden vor allem nachmittags) kam. Zum anderen musste der querende Fußverkehr an allen Kreuzungen eine längere Wartezeit hinnehmen, da nur mit einer anderen Programmierung der Lichtsignalanlagen zu Gunsten des geradeaus fahrenden Kfz-Verkehrs, der Verkehrsversuch sinnvoll möglich war. So ist die Qualitätsstufe für den querenden Fußverkehr größtenteils mit D zu bewerten. Nach der E-Klima sind für den Fußverkehr aber die Qualitätsstufen A bis C anzustreben. Eine Verbesserung der Qualitätsstufen zugunsten des MIV würde eine weitere Wartezeitverschlechterung für den Fußverkehr bedeuten und damit eine noch geringere Qualität. Profitiert von dem Verkehrsversuch hat dagegen vor allem der auf der Marienburger Straße geradeaus fahrende Radverkehr.

 

Die erreichte Qualitätsstufen E oder F in den Spitzenzeiten stadteinwärts könnten wie oben aufgezeigt in Kauf genommen werden, wenn sie im Tagesablauf Ausnahmen darstellen würden und mittelfristig ein Rückgang der Kfz-Nachfrage zu erwarten wäre. Diese Annahme kann objektiv und subjektiv derzeit nicht mit Sicherheit getroffen werden. Hierfür müssten zunächst weitere Push und Pull-Maßnahmen nicht nur im Bereich Marienburger Straße, sondern auch an den Ziel- und Quellorten umgesetzt werden, um die verkehrspolitische Ausrichtung und das Mobilitätsverhalten der Menschen in Hildesheim entsprechend zu verändern. Ansätze sind u.a. ein schrittweiser Ausbau der Alternativen wie z. B des Busangebots und der Radwege sowie eine stärkere Steuerung und Bewirtschaftung des ruhenden Verkehrs. Auch die Öffentlichkeitsarbeit zum gesamten Thema nachhaltige Mobilität in Verbindung mit Aufklärungsarbeit muss weiter vorangetrieben werden. Die Hürden für Veränderungen zu Lasten des MIV sind in Hildesheim aber vergleichsweise sehr hoch einzuschätzen, da die Qualitätsstufen der Knotenpunkte für den MIV selbst in den Spitzenstunden in der Stadt sehr häufig bei A oder B liegen. Eine Abstufung zu einer ausreichenden Qualitätsstufe D stellt daher einen großen Unterschied zum gewohnten Verkehrsfluss dar, der als sehr nachteilig empfunden wird. Die Reaktionen der Menschen auf den Verkehrsversuch gegenüber der Verwaltung und in den sozialen Medien lassen - zumindest für den sich zu Wort meldenden Teil der Hildesheimer Bevölkerung - diese Vermutung zu.

 

Abschließend ist daher festzuhalten, dass eine andere Lösung für die Erschließung des Einkaufszentrums zu suchen ist, da zu große Nachteile für den querenden Fußgängerverkehr und den ÖPNV durch den geänderten Fahrbahnaufbau entstanden sind. Im Einzelnen sind folgende Aspekte in eine Überarbeitung einzubeziehen. Eine einspurige Verkehrsführung mit einer Buskaphaltestelle stadteinwärts ist nicht zu empfehlen. Die Einrichtung einer Buskaphaltestelle bei Einspurigkeit stadtauswärts sollte zur Verbesserung der Ausstiegssituation am Marienburger Platz weiter untersucht werden. Die Variante einer Bushaltebucht stadteinwärts statt eines Buskaps am Marienburger Platz würde den Verkehrsfluss zwar für den MIV verbessern, sollte aus Sicht des ÖPNV aber nicht weiterverfolgt werden. Für die Lärmminderung entlang der Marienburger Straße sind weiterhin Lösungen zu suchen.

 


Beschlussvorschlag:

 

Der angestrebten Fahrbahnreduzierung wird auf Basis der Ergebnisse des Verkehrsversuchs vorerst nicht zugestimmt. Im Rahmen der Bauleitplanung zur 11. Änderung des Bebauungsplans HO 1 „Marienburger Platz“ ist die Erschließungsplanung zu überarbeiten und ein neues Erschließungskonzept als Grundlage für die Bauleitplanung zu entwickeln.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

ja, in der Vorlage erläutert

x

nein

 

 

 (dann Folgekostenabschätzung erstellen)

 

 

 

Personelle Auswirkungen:

 

ja, in der Vorlage erläutert

x

nein

 

 

 (dann FB 11 beteiligen)

 

 

 

Demografische Auswirkungen:

 

ja, in der Vorlage erläutert

x

nein

 

 

 (unter Einbeziehung der Komponente des Demografie-Checks)

 

 

 

Nachverfolgung:

 

ja, dann

x

nein

 

 

 

voraussichtliches/r Datum bzw. Zeitraum der Umsetzung

 


Anlagen:

 

        01_Übersichtsplan Rückstau

        02_Belastung Fahrtrichtungen

        03_Leistungsfähigkeitsnachweis Knotenpunkt 122

 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich 01_Übersichtsplan Rückstau (432 KB)      
Anlage 2 2 öffentlich 02_Belastung Fahrtrichtungen (32 KB)      
Anlage 3 3 öffentlich 03_Leistungsfähigkeitsnachweis Knotenpunkt 122 (538 KB)      
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