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Vorlage - 24/324  

Betreff: Situation in der Ausländerstelle und im Standesamt
Status:öffentlichVorlage-Art:Mitteilungsvorlage
Verfasser:Seyler, Frank
Federführend:32 Fachbereich Bürgerangelegenheiten Bearbeiter/-in: Seifert, Johannes
Beratungsfolge:
Ausschuss für Feuerschutz, Innere Angelegenheiten und Digitalisierung Information
02.09.2024 
Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Innere Angelegenheiten und Digitalisierung      

Sachverhalt:

 

1. Ausländerstelle

 

Aktuell sind in der Ausländerstelle 21 Mitarbeitende zuzüglich der Bereichsleitung beschäftigt, wobei drei Vollzeitstellen fluktuationsbedingt derzeit unbesetzt sind.

 

Seit 2017 ist die Anzahl der in Hildesheim ohne deutsche Staatsangehörigkeit lebenden Personen von ca. 13.000 auf ca. 19.000 angestiegen.

 

Es liegt auf der Hand, dass solche Steigerungsraten zwangsläufig zu entsprechendem Anstieg der Fallzahlen und damit zu einer allgemein angespannten Lage in der Ausländerstelle führen mussten. Beispielhaft sei hier der Anstieg der Anträge auf Einbürgerung von 239 Fällen im Jahr 2019 auf 832 Fälle im Jahr 2023 genannt. Nicht zuletzt durch eine besonders engagierte und effiziente Arbeitsweise der Mitarbeitenden konnte die Lage bisher dennoch unter Kontrolle gehalten werden.

 

Am 27.06.2024 ist jedoch das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten, welches einerseits die zeitliche Voraussetzung für die Einbürgerung von acht auf fünf Jahre absenkt und andererseits generell die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, welche vorher grundsätzlich ausgeschlossen war, ermöglicht.

 

Die Herabsetzung der zeitlichen Voraussetzung allein bedeutet, dass im ersten Jahr ab dem Inkrafttreten vier „Einbürgerungsjahrgänge“ auf einmal zur Einbürgerung anstehen werden.

 

Deutlich schwieriger einzuschätzen ist jedoch die Auswirkung der generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit. So dürfte, z. B. durch eine ausgeprägte Heimatverbundenheit, sich eine nicht geringe Anzahl von Personen bisher nicht in der Lage gesehen haben, die derzeitige Staatsangehörigkeit zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit aufzugeben.

 

Es kann nur versucht werden abzuschätzen, dass ca. 1.000 Personen pro Jahr die sich nun ergebenden Möglichkeiten zusätzlich nutzen werden.

 

Festzuhalten ist jedenfalls, dass bereits jetzt mehr als 1.600 Anträge entweder gänzlich unbearbeitet oder zumindest in der Bearbeitung nicht abgeschlossen auf Halde liegen. Mit Bearbeitungszeiten bis hin zu mehreren Jahren ist derzeit zu rechnen. Um dem entgegen zu wirken, wäre rechnerisch eine Erhöhung um knapp 15 Vollzeitstellen im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten der Rechtsänderung erforderlich. Im Hinblick auf innerorganisatorische Maßnahmen, wie z. B. die notwendige Einarbeitung und das Vorhalten von Raumkapazitäten, könnte der Fachbereich jedoch ohnehin realistisch nur fünf Vollzeitstellen verkraften, die in diesem Umfang an sich auch zwingend benötigt würden. Leider übernimmt der Bund trotz massiver Ausweitung der Aufgaben der Kommunen erneut nicht die Personalkosten, die demgemäß allein von der Stadt Hildesheim zu tragen sind. Aus diesem Grund sind derzeit nur zwei zusätzliche Vollzeitstellen im Stellenplan 2025 vorgesehen.

 

Darüber hinaus wurden folgende Maßnahmen bisher ergriffen bzw. sollen noch ergriffen werden, um die Lage zu verbessern:

 

        Schaffung eines gemeinsamen Abholschalters zusammen mit dem Stadtbüro, welcher es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Personal- bzw. aufenthaltsrechtlichen Dokumente ohne Termin abzuholen. So konnten die Terminvorläufe in beiden Bereichen deutlich abgesenkt werden. Zusätzlich ist für das kommende Jahr vorgesehen, ein SB-Dokumentenausgabeterminal anzuschaffen, welches es ermöglichen wird, die genannten Dokumente 24/7 bei moderater Reduzierung des Personalaufwands abzuholen.

 

        Für jede Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit muss eine sogenannte Ausländerakte geführt werden, welche durchaus sehr umfangreich sein und aus mehreren Bänden bestehen kann. Alle 19.000 Akten wurden digitalisiert, so dass nun in besonders effizienter Weise ausschließlich mit elektronischen Akten gearbeitet werden kann.

 

        Durchführung einer Geschäftsprozessoptimierung, welche jedoch keine nennenswerten Optimierungspotentiale aufzeigen konnte, da die Prozesse laufend hinterfragt und angepasst wurden und werden. Dabei wird der Fokus zukünftig u.a. auch auf Unterstützung durch Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt.

 

        Einrichtung eines Kommunikationsteams („Callcenter“), welches nicht nur die Ausländerstelle, sondern auch die Wohngeldstelle und das Standesamt unterstützt, indem es diesen Bereichen vorgeschaltet ist und die am häufigsten gestellten Fragen beantworten kann. Bei Einzelfall- oder nicht klärbaren Fragen wird an die jeweiligen Funktionspostfächer verwiesen. Die Fragestellungen werden anschließend durch die Sachbearbeitungen telefonisch oder per Mail geklärt. So wird eine konzentrierte und effiziente Sachbearbeitung in den Bereichen ohne Unterbrechungen gewährleistet, wobei dieses Modell eine Übergangslösung darstellt, welche in möglichst kurzfristig durch geeignete KI-Lösungen (Chatbot, Telefonroboter) und/oder durch den Anschluss an die Behördennummer 115 abgelöst werden sollte.

 

Festzuhalten bleibt, dass die Situation in der Ausländerstelle die Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben nicht mehr vollumfänglich zulässt. Trotz aller aufgezeigter Bemühungen wird sich dies ohne deutlich spürbare Personalaufstockung nicht ändern lassen.

 

2. Standesamt

 

Aktuell sind im Standesamt neun Standesbeamtinnen tätig zuzüglich der leitenden Standesbeamtin und zwei Sachbearbeitungen ohne Standesbeamtenstatus. Eine Teilzeit-Vakanz sowie das Ausscheiden einer Standesbeamtin zum Jahresende sind bereits in Besetzung.

 

Langfristige Krankheitsausfälle u.a. der Bereichsleitung, Verrentungen und sonstige Personalfluktuation haben im Jahr 2022 dazu geführt, dass insbesondere die Bearbeitungszeiten für Erstbeurkundungen von Geburten erheblich, teilweise auf mehr als zehn Wochen nach Vollständigkeit der Unterlagen, angestiegen waren.

 

Aktuell beträgt die Wartezeit für die Erstbeurkundung einer Geburt bei Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit nach Vollständigkeit der Unterlagen maximal zwei Wochen. Soweit die Unterlagen unmittelbar von den Kliniken vollständig übermittelt werden, erfolgt eine sofortige Beurkundung.

 

Wenn mindestens ein Elternteil eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, beträgt die Wartezeit nach Vollständigkeit der Unterlagen maximal vier Wochen. Grund ist, dass diese Beurkundungen sich weitaus komplexer gestalten und daher von höher qualifizierten Kräften des sog. gehobenen Dienstes erledigt werden müssen, denen noch zahlreiche andere Aufgaben obliegen.

 

Zu Lasten der Standesämter sind mehrere Gesetzesänderungen entweder bereits in Kraft getreten, beschlossen oder für die nahe Zukunft vorgesehen. Im Einzelnen sind dies folgende:

 

        Als Mammutaufgabe stellt sich die elektronische Nacherfassung von ca. 120.000 Registereinträgen innerhalb der nächsten drei Jahre dar, wobei diese Nacherfassungen ausschließlich von ausgebildeten Standesbeamtinnen und –beamten erledigt werden dürfen. Im Sinne einer Ausnahme hat der Gesetzgeber es jedoch auch zugelassen, die Nacherfassungen anlassbezogen (z.B. bei der nachträglichen Anforderung einer weiteren Geburtsurkunde) durchzuführen.

 

        Im November 2024 werden die Aufgaben nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) hinzukommen. Demnach kann künftig das Geschlecht samt Vornamen ohne richterliche Entscheidung durch entsprechende Erklärung beim Standesamt geändert werden, dies geht auch mehrfach, wobei jede Änderung mindestens ein Jahr Bestand haben muss.

 

        Zum 1. Mai 2025 folgt eine weitere Gesetzesänderung zur Bestimmung von Familiennamen. Neben den Personen, die nach diesem Datum heiraten, können auch alle anderen Ehepaare ihren Ehenamen neu bestimmen. U.a. wird es künftig möglich sein, einen echten Doppelnamen für beide Eheleute durch Nutzung beider Namen zu bilden. Hier ist in den ersten Monaten, ggf. auch in den ersten ein bis zwei Jahren mit einer erhöhten, zusätzlichen Nachfrage zu rechnen.

 

        Zum selben o.g. Termin wird das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) im Personalstatut grundsätzlich geändert. Bisher ist bei ausländischen Personen grundsätzlich das Heimatrecht anzuwenden, wenn keine Rechtswahl ins deutsche Recht erfolgt. Dies wird grundlegend geändert, so dass dann der gewöhnliche Aufenthalt der Person gilt. Hier ist dann auch zu beachten, dass dies ebenfalls deutsche Staatsangehörige im Ausland betrifft. Inwieweit dies hier zum Arbeitsanstieg führt, z.B. durch Angleichungen auch bei ausländischen Personen mit Namenskette, kann derzeit noch nicht abgesehen werden.

 

Ohnehin ist das Personenstandswesen im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten extrem reglementiert und lässt eher wenig Gestaltungsspielraum für die Standesämter zu, z. B. hinsichtlich der Personalauswahl sowie der Verwendung des Fachverfahrens.

 

So dürfen in Niedersachsen nur Personen mit einer Verwaltungsausbildung und einer entsprechenden Zusatzausbildung samt Prüfung zu Standesbeamtinnen und -beamten bestellt werden, obwohl ein gar nicht so geringer Anteil der Aufgaben der Standesämter ohne Qualitätsverlust auch von anderen Personen erledigt werden könnte. Es bleibt zu hoffen, dass hier u.a. vom Fachverband der Standesbeamtinnen und Standesbeamten des Landes Niedersachsen e. V. künftig ausreichend Einfluss auf die Landespolitik genommen werden kann und wird.

 

Hinzu kommt das Fachverfahren, welches wenig digitalaffin geprägt ist und dessen Hersteller im Bundesgebiet eine Monopolstellung genießt.

 

Um auch künftig und trotz der oben dargestellten zusätzlichen Aufgaben die Bearbeitungszeiten in einem stabilen Rahmen zu halten, sind zahlreiche Maßnahmen bereits umgesetzt worden bzw. vorgesehen, nämlich:

 

        Neubesetzung der Leitungsstelle

        Umorganisation der Aufgaben

        freiwillige Mehrarbeit der Standesbeamtinnen

        Unterstützung durch vier andere Kommunen (Elze, Alfeld, Sibbesse und Diekholzen)

        Einrichtung eines Kommunikationsteams (s. o.)

        Urkunden können nun auch über das Onlineformular auf der Homepage mit E-Payment-Funktion angefordert werden. Ein Gebührenbescheid entfällt somit.

        Im Bereich der Eheangelegenheiten soll durch die Einführung eines Online-Traukalenders einerseits durch dessen intelligente automatische Bearbeitung der Service hinsichtlich der Zeit zur Reservierung von Trauterminen verbessert werden, andererseits wird auch eine Arbeitsentlastung erwartet, da nicht mehr zahllose E-Mails zu den Reservierungswünschen beantwortet und koordiniert werden müssen. Der Online-Traukalender ist wesentlich mehr als ein einfaches Termintool. Es übernimmt bei der Koordination von Anmeldung und Trautermin automatisch einen wichtigen Teil.

        Es ist die Einrichtung einer weiteren Vollzeitstelle im Standesamt für den Stellenplan 2025 vorgesehen, wobei es unter dem Strich keinen echten Stellenaufwuchs gibt.

 


Anlagen:

 

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