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Auf Grund des Beschlusses vom 19.09.2011 zur Vorlage 11/457 wurden weitere Recherchen zum Bezug von Ökostrom durchgeführt. Insbesondere wurde der Kontakt zur in der Petition als Vorbild dargestellten Stadt Göttingen intensiviert.
1) Allgemeine Informationen
Durchschnittlich benötigt die Stadt Hildesheim für ihre Liegenschaften inklusive Straßenbeleuchtung und Lichtsignalanlagen ca. 11. Mio. kWh Strom jährlich. Die reinen Stromkosten ohne Stromsteuer, Zuschläge nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) belaufen sich derzeitig jährlich auf ca. 1,3 Mio. € (incl. 19% MWST).
Da der aktuelle Stromliefervertrag am 31.12.2012 ausläuft, benötigt die Stadt Hildesheim im Frühjahr 2012 eine neues europaweit durchzuführendes Vergabeverfahren zur Beschaffung von Strom.
2) Bezug vom Ökostrom
Nach den Recherchen bei anderen Kommunen ergibt sich folgendes Bild:
2.1) Die Stadt Göttingen hat im Oktober 2011 Strom ausgeschrieben, wobei die reine Dienstleistung der Strombeschaffung an der Leipziger Strombörse EEX nachgefragt wurde. Der Auftragnehmer wurde verpflichtet, Strom in vier Tranchen zu festgelegten Zeitpunkten einzukaufen, wobei bei Unterschreitung einer festgelegten börsenorientierten Preisgrenze der Einkauf des Strombedarfs erfolgen sollte. Bei der Stadt Göttingen führte diese Vorgehensweise zum Erfolg. Die untere Preisgrenze wurde erreicht und es konnten die erforderlichen Strommengen (Ökostrom) günstig beschafft werden. Diese Strategie birgt jedoch auch ein hohes Risiko: Bei steigenden Preisen durch eine entsprechende Entwicklung an der Börse wäre die Stadt gezwungen gewesen, einen Teil des benötigten Stroms entsprechend teurer einzukaufen. Dazu kommen das Entgelt für die Dienstleistung und die Kosten für die Durchführung der Ausschreibung. Über den tatsächlich erzielten Strompreis wurde von der Stadt Göttingen keine Auskunft erteilt. Die Stromart wurde im Ausschreibungstext nur allgemein beschrieben: „... elektrische Energie atomstromfrei, bzw. aus Kraftwärmekopplung oder regenerativen Anlagen...“.
2.2) Die Stadt Sehnde hat über die Kommunale Wirtschafts- und Leistungsgesellschaft (KWL) eine Ökostromausschreibung für die Jahre 2012/2013 durchführen lassen. Die Stadt erhält den Strom aus Wasserkraftwerken. Der Aufschlag gegenüber dem herkömmlichen Strommix beträgt ca. 0,5 ct/kWh.
2.3) Die Stadt Kehl hat vorgeschlagen - sowohl Strom aus konventionellen Quellen als auch alternativ Ökostrom ausgeschrieben. Die Zuschlagskriterien wurden so formuliert, dass der Bezug von Ökostrom nur dann erfolgt, wenn der Aufpreis nicht mehr als 0,5 ct/kWh gegenüber dem herkömmlichen Produkt beträgt. Hierdurch wurde eine sogenannte „Kostenbremse“ eingebaut, um das Mehrkostenrisiko überschaubar zu halten. Der Zuschlag wurde einem Ökostromanbieter erteilt. Der Aufpreis lag knapp unter der vorgesehenen Grenze von 0,5 ct/kwh.
3) Mehrkosten für Ökostrom
Die anstehende Stromausschreibung könnte durch die KWL dergestalt durchgeführt werden, dass neben dem konventionellen Strom auch Ökostrom angeboten werden kann. Für die Ökostromausschreibung würde eine Kostenbremse von 10 % festgelegt werden.
Legt man der Berechnung die Annahme der KWL von ca. 5 bis 6 % Mehrkosten gegenüber dem „durchschnittlichen Strommix“ und das letzte Angebot aus 2010 der EON-Avacon von ca. 1.059.000 € inkl. MwSt. zugrunde, würden sich für die Beschaffung von Ökostrom jährliche Mehrkosten zwischen 53.000 und 63.500 € ergeben. Bei der von der KWL vorgegebenen und nicht veränderbaren 10-prozentigen Kostenbremse würden sich danach die maximalen Mehrkosten auf jährlich 105.900 € belaufen.
Der durchschnittliche Strommix in Deutschland setzte sich in den Jahren 2010/2011 folgendermaßen zusammen:
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Energieträger | Anteil 2011 | Anteil 2010 |
Braunkohle | 24,6 % | 23,2 % |
Erneuerbare Energien | 19,9 % | 16,4 % |
Steinkohle | 18,7 % | 18,6 % |
Kernenergie | 17,7 % | 22,4 % |
Erdgas | 13,6 % | 13,8 % |
Sonstige (Öl etc.) | 4,2 % | 4,3 % |
Quelle: BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
4) Berücksichtigung sozialer Aspekte
Die Recherchen der Verwaltung (beispielsweise durch Rücksprachen mit den o. g. Kommunen und im Internet) haben keine Erkenntnisse im Hinblick auf spezielle soziale Problematiken (Kinderarbeit, unzumutbare Arbeitsbedingungen etc.) im Zusammenhang mit der Erzeugung und Lieferung von Strom in Deutschland ergeben. Entsprechende Forderungen oder Auflagen an die Bieter sind ggf. rechtlich angreifbar, sofern sie nicht effektiv lückenlos nachprüfbar sind. Die KWL verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 04.12.2003 (Rs. C-448/01). Die kommunale Vergabestelle bestätigt diese Auffassung.
Sollte die Stadt Hildesheim sich an einer Sammelausschreibung der KWL beteiligen und gemeinsam mit anderen Kommunen die Stromlieferverträge ausschreiben, gäbe es darüber hinaus ohnehin keine Möglichkeit, Einzelvorgaben zu den Ausschreibungsinhalten zu machen.
Die Stadt Hildesheim könnte trotz allem im Rahmen einer Einzelausschreibung an entsprechenden Vorgaben festhalten. Die KWL würde dann ein entsprechendes Vergabeverfahren durchführen. Neben dem Risiko aus vergaberechtlichen Gründen zu scheitern, würden in diesem Fall zusätzlich die Kosten für die Einzelausschreibung steigen.
Fazit:
Auf Grund der zwingenden Einsparvorgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung des Zukunftsvertrags und der Tatsache, dass der Anteil der Kernenergie am deutschen Strommix ohnehin stetig kleiner wird (2011 lag der Anteil der erneuerbaren Energien zum ersten Mal sowohl über dem Anteil der Kernkraft als auch über dem der Steinkohle), soll als kostengünstigste Variante die KWL mit der Ausschreibung von konventionellen Strom ohne zusätzliche Auflagen beauftragt werden.